Die Interrogativpronomen sind tatsächlich Pronomen, sie stehen stellvertretend für etwas, für ein Substantiv oder einen Sinnzusammenhang.
Substantiv: Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Wer hat in meinem Bettchen geschlafen?
Das Interrogativpronomen steht in diesem Fall für denjenigen, der den sieben Zwergen hinter den sieben Bergen zu diesem Zeitpunkt unbekannt ist und der die durch das Verb beschriebene Handlung ausführt bzw. ausgeführt hat, in diesem Falle also Schneewittchen. Ist das Substantiv, nach dem gefragt wird, kein Mensch, oder, um ganz genau zu sein, wird vermutet, dass es kein Mensch ist, dann wird anstatt wer, was verwendet. Was steht aber nicht nur für sächliche Substantive, sondern auch für Sinnzusammenhänge.
Sinnzusammenhang: Was sollen wir machen mit dem betrunkenen Seemann?
Die Frage jenes bekannten englischen Liedes "What shall we do with the drunken sailor?", fragt nicht nach einem einzelnen Substantiv, sondern nach einem komplexeren Sinnzusammenhang, die Antwort muss also ein ganzer Satz sein ("Man sollte ihn in die Ausnüchterungszelle bringen").
Eine weitere Unterscheidung ist dann zu treffen im Hinblick auf die grammatikalische Funktion. Sowohl das Substantiv wie auch der Sinnzusammenhang können Nominativ / Akkusativ / Dativ oder Genitiv sein, allerdings gibt es praktisch weniger Fälle als theoretisch.
Vermutete Person
Nominativ: Wer ist da?
Akkusativ: Wen siehst du?
Dativ: Wem hast du es gegeben?
Genetiv: Wessen Schuh ist das?
Vermutete Sache / Sinnzusammenhang
Nominativ: Was stört dich?
Akkusativ: Was siehst du?
Dativ: Auf was gründen sich seine Vermutungen?
Die oben genannten Interrogativa sind Interrogativpronomen, sie vertreten etwas. Schwieriger ist das mit dem Interrogativa welcher / welche / welches, denn dieses kann sowohl Interrogativpronomen wie auch ein adjektivisches Interrogativa sein.
Interrogativpronomen
Welche willst du?
adjektivisches Interrogativa
Welche Äpfel willst du?
Als Interrogativpronomen steht es für ein Substantiv bzw. Sinnzusammenhang, als adjektivisches Interrogativa ist es ein Adjektiv, ersetzt gar nichts, ist also kein Pronomen. Wir sagen das, weil sich in Schulbüchern der Begriff Begleiter eingeschlichen hat (Interrogativbegleiter, Demonstrativbegleiter, Possessivbegleiter etc. etc.). Dieser Begriff ist in etwa so sinnvoll und notwendig, wie ein Misthaufen im Wohnzimmer, weil ein weiterer Begriff eingeführt wird, den kein Mensch braucht und der folglich verwirrt. Vernünftig wäre, klar zu machen, dass es zu vielen Pronomen noch ein Adjektiv gibt (Das ist mein Haus <=> Das ist meines / Dieses Fahrrad gefällt mir nicht <=> Dieses gefällt mir nicht / Welchen siehst du ? <=> Welchen Mann siehst du?). Die Einführung eines neuen Begriffs mag zu einer richtigen Bezeichnung des Kindes führen, wichtiger wäre es gewesen, die inhaltlichen Unterschiede herauszuarbeiten, zumal es schon Begriffe gab, die sowohl das Adjektiv wie auch das Substantiv bezeichneten, Interrogativa, Possessiva, Demonstrativa etc. etc.. Abgesehen davon täuscht der Begriff Begleiter auch noch. Die Demonstrativa dieser / diese / dieses etc. gibt es tatsächlich in einer adjektivische Form (Diese Fahrrad gefällt mir), wo sie kein Pronomen sind und einer substantivischen Form (Dieses gefällt mir) wo sie ein Pronomen sind. Wenn man aber von Demonstrativbegleitern und Possessivbegleitern spricht, suggeriert man, dass es auch bei den Possessivbegleitern eine adjetivische Version gibt, die kein Pronomen ist und eine substantivische, die ein Pronomen ist. Dem ist aber nicht so. Bei den Possessiva ist sowohl die adjektivisch Version (mein Haus) wie auch die substantivische (meines) ein Pronomen. Wenn man sagt, "das ist sein Haus", dann steht dieses "sein" für jemanden und wenn man sagt, "das ist seines", dann verweist das "seines" sowohl auf den Besitzer wie auf das Besessene. Possessivpronomen sind also immer Pronomen. Der Begriff Begleiter ist also nicht nur so unnötig wie ein Kropf, sondern obendrein falsch und irreführend. So ein Blödsinn muss nicht in Schulbüchern stehen. Doch zurück zu unserem Thema.
Schauen wir uns jetzt die einzelnen Interrogativa an.
Chi = wer
Die romanischen Sprachen, also auch das Italienische, kennen bekanntlich keine Fälle. Nimmt man es ganz genau, dann kennen natürlich auch diese Sprachen Fälle, den die Funktion eines Substantivs innerhalb eines Satzes muss man klären können, zwischen "Thomas gibt dem Hamster eine Karotte" und "Dem Thomas gibt der Hamster eine Karotte" besteht ein beträchtlicher Unterschied. Die romanischen Sprachen klären die Funktion eines Substantivs innerhalb eines Satzes aber nicht organisch, das heißt über eine Veränderung des Wortes selbst, sondern über eine Präposition, was man auch im Deutschen machen könnte ("Thomas gibt zu Hamster eine Karotte" <=> Zu Thomas gibt Hamster eine Karotte"). Es gibt also im Italienischen naheliegenderweise keinen Akkusativ, Dativ oder Genitiv zu wer (wen / wem / wessen), also nicht als eigenes Wort. Ob etwas Akkusativ, Dativ oder Genitiv ist, wird über eine Präposition geklärt, bzw. durch die Satzstellung (beim Akkusativ). Der Akkusativ ergibt sich, wie im Grunde im Deutschen auch, aus der Satzstellung ("Thomas isst das Krokodil" <=> "Das Krokodil isst Thomas"). Der Dativ wird mit der Präposition a gebildet, der Genitiv mit di, so dass sich folgendes Bild ergibt.
Übersicht Deklination
Nominativ: Chi ha bevuto dal mio bicchierino?
(Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?)
Akkusativ: Chi hai visto?
(Wen hast du gesehen?)
Dativ: A chi hai dato il tuo libro?
(Wem hast du dein Buch gegeben?)
Genitiv: Di chi sono queste scarpe?
(Wessen Schuhe sind das?)
Vereinfacht ausgedrückt, kann man sagen, dass chi nur für Personen verwendet wird, also ähnlich wie das deutsche wer. Wenn man es ganz genau nimmt, müsste man sagen, dass chi, wie auch das deutsche wer, immer dann verwendet wird, wenn zumindest eine Person als Urheber (Nominativ) bzw. Adressat (Akkusativ / Dativ) in Frage kommt. Da eine Frage ja immer nur dann gestellt wird, wenn der Urheber oder Adressat unbekannt ist, man also gar nicht weiß, ob es eine Person / Tier oder Sache ist, kann man wohl schlecht sagen, dass chi nur für Personen verwendet wird, wie Sie das in manchen Lehrbüchern finden.
A: Chi ha mangiato la mia cioccolata?
B: Mi dispiace, Flips, il nostro cane.
A: Wer hat meine Schokolade gegessen?
B: Es tut mir leid, Flips, unser Hund.
Wie das deutsche wer auch, kann chi mit Präpositionen verwendet werden. Einen Unterschied gibt es nur insofern, dass eine Präposition im Deutschen einen bestimmten Fall erzwingt, das ist im Italienischen aus naheliegenden Gründen nicht so, weil es nur einen gibt (Erinnern Sie sich? Bei den Personalpronomen ist es ein bisschen anders, da stehen nach Präposition die sogenannten unbetonten Personalpronomen. "Ti vedo" aber nicht "Vedo a te").
Beispiele
Con chi sei andato al cinema?
=> Mit wem bist du ins Kino gegangen?
Per chi hai comprato tutto questo?
=> Für wen hast du das alles gekauft?
Da chi lo hai saputo?
=> Von wem hast du es erfahren?
Hinsichtlich der Wahl der richtigen Präposition ist zu beachten, dass Verben in Abhängigkeit von dem, was angeschlossen wird, unterschiedlich anschließen. Pensare (denken) zum Beispiel kann einen Akkusativ anschließen (dann steht gar keine Präposition), kann mit der Präposition di, anschließen, wenn ein Infinitiv angeschlossen wird oder mit der Präposition a, wenn mit chi konstruiert wird.
Beispiele
Lo penso anche io.
<=> Das denke ich auch.
Penso di fare tutto ciò che la gente si aspetta da me.
<=> Ich gedenke all das zu tun, was die Leute von mir erwarten.