Wie jeder unschwer einsieht, gibt es bei Zahlen aus linguistischer Sicht wenig zu sagen. Weiter halten wir es für unwahrscheinlich, dass Italienisch die erste Fremdsprache ist, die Sie lernen, Ihnen ist also bereits aufgefallen, dass das Deutsche eine der wenigen Sprachen ist, die das Pferd von hinten aufzäumt, also zuerst die Einer, dann die Zehner nennt. Die Hunderter und Tausender stehen aber wieder am Anfang.
15 = fünfzehn
115 = einhundertfünfzehn
Im Deutschen sind also selbst die Zahlen Hirngymnastik für Fortgeschrittene. Beim Englischen ist es nur bis 20 falsch rum (nineteen), dann geht es richtig weiter (twenty-one). Bis zwanzig ist es auch noch im Persischen falsch rum (14 = chaharda) ab 20 ist es dann richtig rum (21 bist-o-yek). Warum, wieso, weshalb das so ist, lassen wir jetzt einfach auf sich beruhen, was genau passiert ist, ließe sich nur durch eine Analyse der indogermanischen Ursprachen genauer sagen, das ist uns aber im Moment egal. Im Italienischen kommen zuerst die Zehner, dann die Einer, so wie sich das gehört.
Zahlen gibt es Stücker mehrere.
Kardinalzahlen (numeri cardinali): Was eine Kardinalzahl ist wissen Sie natürlich, das ist 1,2,3,4 etc. Das ist es aber nicht, was den Autor begeistert. Den Autor begeistert die Sprache der Mathematikbücher:
§ 1 Äquivalenz und Kardinalzahl
Wenn man eine Menge von Äpfeln mit einer Menge von Birnen in Bezug auf die Anzahl der Gegenstände vergleichen will, so geschieht dies auf dem primitivem Standpunkt in der Weise, dass man einen Apfel mit einer Birne zusammenlegt, dann einen zweiten Apfel mit einer zweiten Birne, und dieses Verfahren bis zu einem Ende, d.h. bis die eine von beiden Mengen erschöpft ist. Ist damit gleichzeitig auch die anderes erschöpft, so haben wir ebenso viele Äpfel wie Birnen. Das ist nun gar nichts anderes als die Bildung einer Menge von Paaren p=(a,b).
aus: Felix Hausdorff, Gesammelte Werke, Band II, Grundzüge der Mengenlehre, Jahre 2002
Alter Schwede. Es besteht die Befürchtung, dass die Kiddies die Äpfel und Birnen einfach schälen, in einen Topf werfen und zu Mus verkochen, dann stellt sich das Problem gar nicht mehr. Hiervon unberührt bleibt die Frage, ob man den Autoren von schulischen Mathebüchern nicht mal Nachhilfe in texten geben sollte. Auf jeden Fall sind Kardinalzahlen Zahlen vom Typ ein, zwei, drei, vier, fünf etc.
Ordinalzahlen (numeri ordinali): Das mit den Mathematikern lassen wir jetzt besser, das führt wahrscheinlich nicht zu griffigen Definitionen. Bei den Ordinalzahlen ist der Blickwinkel anders, sie stellen eine Rangfolge her. Der fünfte kommt halt nach dem vierten, der zweite vor dem dritten etc. Ordinalzahlen sind Zahlen vom Typ der Erste, der Zweite, der Dritte, der Vierte etc. Es geht bei Ordinalzahlen also nicht um die Angabe einer Menge, sondern um die Angabe einer Position. Linguistisch gesehen sind sie ein bisschen komplizierter als Kardinalzahlen, denn es sind Objekte, von daher können sie im Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ stehen, sie können einen Plural und Singular haben (der Erste / die Ersten), sie können männlich oder weiblich sein (der Zweite, die Zweite) und es kann ihnen auch eine Präposition vorangestellt werden.
Bruchzahlen (numeri frazionari): Ohne es näher zu prüfen, ist anzunehmen, dass die Definition der Mathematikerzunft bahnbrechend ist. Wer vorher wusste, was eine Bruchzahl ist, weiß es wahrscheinlich nach der Lektüre eines Schulbuches nicht mehr. Bruchzahlen geben einen Anteil eines wie auch immer gearteten Ganzen an, eine halbe Torte ist eben eine halbe Torte, egal wie groß diese ursprünglich gewesen sein mag, und ein Viertel Liter Milch ist eben ein Viertel von einem Liter Milch. Die Bruchzahlen, wie auch die Prozentzahlen, definieren also eine Menge relativ zu einem gedachten Ganzen.