Wir bereits oben diskutiert, gibt es nicht nur offene Fragen, die also nach etwas Spezifischem fragen und folglich nicht mit einem schlichten ja / nein beantwortet werden können ("A: Wieviel Uhr ist es? B:"Ja"). Mit den offenen Fragen haben wir uns bisher beschäftigt, sie werden durch ein Interrogativadverb (wann, warum, wie), ein Interrogativpronomen (wer, was) oder ein adjektivisches Interrogativa (welcher) eingeleitet. Die ja / nein Fragen können mit einem schlichten ja / nein beantwortet werden. Ob das psychologisch immer günstig, höflich oder ob tatsächlich auch eine Antwort erwartet wird, brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Rein logisch gesehen ist es so. Bei der ja / nein Frage wird das in der Frage geschilderte Ereignis in seiner Gänze bejaht oder verneint.
A: Du denkst wohl, du kannst Dir alles erlauben?
B: Ja.
Das Italienische verhält sich hier wie das Spanische, nicht aber wie das Englische, Deutsche oder Französische. Im Spanischen und Italienischen unterscheiden sich ja / nein Fragen von einem schlichten Affirmativsatz lediglich durch die Betonung.
Italienisch
Affirmativsatz: Sempre sei coscente delle conseguenze di ciò che fai.
=> Du bist dir der Konsequenzen dessen, was du tust, immer bewusst.
Fragesatz: Sempre sei coscente delle conseguenze di ciò che fai?
=> Bist du dir der Konsequenzen dessen, was du tust, immer bewusst?
Wir sehen also, dass wir in den ja / nein Sätzen im Deutschen einen Unterschied auch in der Satzstellung haben, es kommt zur Inversion, das Subjekt steht nach dem Verb, die Regel Subjekt - Prädikat - Objekt wird also durchbrochen. Ähnlich im Englischen und im Französischen.
Französisch
Affirmativsatz: Tu es toujours conscient des conséquences de ce que tu fais.
Fragesatz: Est-ce tu es toujours conscient des conséquences de ce que tu fais?
Fragesatz: Es-tu conscient des conséquences de ce que tu fais?
=> Bist du dir der Konsequenzen dessen, was du tust, immer bewusst?
Englisch
Affirmativsatz: You are allways aware of the consequences of what you do.
Fragesatz: Are you allways aware of the consequences of what you do?
=> Bist du dir der Konsequenzen dessen, was du tust, immer bewusst?
Das Französische folgt also entweder seiner "est-ce que" Logik oder konstruiert den Fragesatz mit einer Inversion Subjekt <=> Verb. Im Englischen kommt es, wie im Deutschen, zur Inversion.
Im Italienischen unterscheidet sich ein Affirmativsatz von einem Fragesatz allein durch die Aussprache. Achten Sie auf die Unterschiede.
Beispiele
Affirmativsatz: Ti sei reso conto che ti hanno ingannato.
Fragesatz: Ti sei reso conto che ti hanno ingannato?
=> Hast du gemerkt, dass sie dich betrogen haben?
Affirmativsatz: Hai fumato tutte le sigarette.
Fragesatz: Hai fumato tutte le sigarette?
=> Hast du alle Zigaretten geraucht?
Affirmativsatz: Non ha voglia di accompagnarci.
Fragesatz: Non ha voglia di accompagnarci?
=> Hat er keine Lust uns zu begleiten?
Wer sich für die Frage interessiert, warum das Spanische und Italienische hier so auffallend abweichen, kann eine Antwort auf seine Frage finden, wenn er bedenkt, dass im Spanischen und Italienischen das Subjekt des Satzes, so es denn durch ein Personalpronomen dargestellt wird, in der Regel gar nicht genannt wird. Man kann es tun, aber meistens lässt man es.
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Wenn aber das Subjekt in der Regel gar nicht genannt wird, dann kann auch schlecht eine Inversion Subjekt <=> Verb stattfinden. In allen Sprachen jedoch ändert sich die Aussprache, tendenziell wird die Stimme gegen Ende des Satzes angehoben. Hier scheint also ein tief verankertes Programm abzulaufen, überhaupt scheint es im Hinblick auf die Satzmelodie in allen Sprachen Ähnlichkeiten zu geben.