10.2.2 Der Konjunktiv nach Verben, Konstruktionen und Redewendungen die einen Wunsch,  Hoffnung, Irrealität oder Absicht ausdrücken

Wir kommen nun zu den Funktionen, wo auch das Deutsche den Konjunktiv ähnlich verwendet wie die romanischen Sprachen den congiuntivo (Italienisch), subjuntivo (Spanisch) oder subjonctif (Französisch).

Wenn Sie also in Grammatiken immer wieder sowas lesen

"Der Gebrauch des congiuntivo entspricht nicht dem des deutschen Konjunktivs"
(Iolanda da Forno / Chiara de Manzini-Himmrich, Große Italienische Lerngrammatik, 2002, Ismaing, Seite 225)

so ist das nicht 100 prozentig richtig. Richtig ist nur, dass das Deutsche diese Funktionen nicht zu einem logisch kohärenten, durchgängig verwirklichten System ausgebaut hat, es logische Brüche gibt. Wir können aber auch dem deutschen System entnehmen, dass das Gehirn nach solchen Strukturen sucht, diese spontan entstehen, die Systematik der romanischen Sprachen also keineswegs so merkwürdig ist, wie es auf den ersten Blick erscheint und wir können bei didaktischer Zuspitzung durchaus Sätze konstruieren, die uns eine Vorstellung davon geben, wie es für einen Italiener klingt, wenn ein Indikativ verwendet wird, wo eigentlich ein Konjunktiv hingehört.

Der Konjunktiv zum Ausdruck eines Wunsches oder einer Hoffnung

Es gibt eine ganze Menge Verben, die einen Wunsch oder eine Hoffnung ausdrücken. Inkongruent ist das Deutsche hier insofern, als diese Verben in der Vergangenheit den Konjunktiv erzwingen, nicht aber in der Gegenwart.

Ich hoffe, dass er kommt.
nicht: Ich hoffe, dass er komme.


aber:

Ich hoffte, dass er käme.
nicht: Ich hoffte, dass er kam.


Man könnte der Meinung sein, dass hier die Realisierung bzw. nicht Realisierung eines Wunsches für die Wahl des Modus ausschlaggebend ist, dies ist jedoch nicht der Fall, es ist allein das Verb, das im Imperfekt den Konjunktiv erzwingt, denn auch wenn sich der Wunsch verwirklicht hat, steht der Konjunktiv II.

Ich hoffte, dass er käme und tatsächlich kam er dann auch.

Auch diese Aussage des Duden ist also falsch, suggeriert, dass dem deutschen Konjunktiv eine andere sprachliche Erfassung der Welt zugrunde liegt, als dem congiuntivo, subjuntivo, subjonctif der romanischen Sprachen.

"Der Konjunktiv II dient als Zeichen dafür, dass der Sprecher / Schreiber seine Aussage nicht als Wirkliches, über tatsächlich Existierendes verstanden wissen will, sondern als eine gedankliche Konstruktion, als eine Aussage über etwas nur Vorgestelltes, nur möglicherweise Existierendes."

Duden, Die Grammatik, Mannheim, 1995, Seite 157

In den romanischen Sprachen ist dies weitgehend, auf die Details werden wir noch zurückkommen, konsequent umgesetzt. Verlangt ein Verb den Konjunktiv, dann verlangte es ihn sowohl in der Gegenwart, wie in der Vergangenheit. Logische Brüche wie im Deutschen gibt es nicht.

In beiden Sprachen, also im Italienischen wie im Deutschen, kann der Konjunktiv auch ohne einleitenden Satz einen Wunsch ausdrücken.

Oh wenn er doch jetzt endlich mal die Klappe hielte. nicht: Oh wenn er doch jetzt endlich mal die Klappe hält.

Der Konjunktiv nach Verben und Konjunktionen die Unsicherheit ausdrücken

Wie in den romanischen Sprachen auch, so steht auch im Deutschen nach Verben, die Unsicherheit ausdrücken, der Konjunktiv allerdings, analog zu dem oben Gesagten, nur, wenn dieses Verb im Imperfekt steht. (Wenn wir ganz genau sein wollen: Glauben ist eine Ausnahme. Affirmativ erzwingt es nur im Italienischen den congiuntivo. Im Französischen und Spanischen nur in verneinten Sätzen.)

Ich glaube, dass er kommt.
nicht: Ich glaube, dass er komme.

aber:

Ich glaubte, dass er käme.
nicht: Ich glaubte, dass er kam.

Allerdings ist dies nicht, wie der Duden behauptet, durch die Irrealität bedingt, denn er steht auch, wenn das Ereignis unstrittig tatsächlich eintrat.

Ich glaubte, dass er käme, und tatsächlich kam er dann auch.
nicht: Ich glaubte, dass er kam, und tatsächlich kam er dann auch.

Entscheidend ist, dass der Sprecher die Realität subjektiv bewertet, ob diese Bewertung zutrifft oder nicht, ist völlig egal. Umgekehrt umgekehrt. Gibt der Sprecher zu erkennen, dass er die Realität nicht subjektiv bewertet, berichtet er von Tatsachen, dann steht immer der Indikativ, in der Gegenwart wie in der Vergangenheit.

Ich weiß, dass er kommt.
nicht: Ich weiß, dass er komme.
Ich wusste, dass er kommt. nicht: Ich wusste, dass er käme.*

* Wir haben hier einen Grund, die manchmal in Grammatiken zu findende völlige Gleichsetzung von Konditional und Konjunktiv etwas kritisch zu sehen. Der Satz "Ich wusste, dass er käme" mag bei manchen durchgewunken werden, eigentlich müsste es aber heißen "Ich wusste, dass er kommen würde". Die Nachzeitigkeit innerhalb der Zeitenfolge, also die Beschreibung der Zukunft aus Sicht der Vergangenheit, kann eigentlich nur der Konditional ausdrücken.




Kontakt Impressum Datenschutz